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Die feministische Perspektive: Miriam Cahn und VALIE EXPORT

Neues Format bei der Kooperation mit der Riemschneider-Stiftung: Riemschneider Podium

Jetzt am Donnerstag, den 23. Januar 2025

Die langjährige Riemschneider Kurator*innenreihe der Kunstakademie beginnt im Wintersemester mit einem Relaunch in einem neuen Format: dem Riemschneider Podium. Mit dem Riemschneider Podium verschiebt sich der Fokus der Reihe hin zum Austausch – zu Gespräch und Kontroverse zwischen Kurator*in und geladenen Künstler*innen. Jedes Podium wird von einer Kuratorin bzw. einem Kurator konzipiert und hat einen thematischen Schwerpunkt, der mit dem Werk der Künstler*innen korrespondiert. Nach einführenden Statements der Gäste liegt der Schwerpunkt der Veranstaltung auf der gemeinsamen Diskussion zum Thema.

Als ersten Kurator der neuen Reihe konnte die Kunstakademie den Direktor des Kunsthauses Bregenz Thomas D. Trummer gewinnen, der viele Jahre lang im Hochschulrat der Akademie wirkte. Er ist seit 2015 Direktor des Kunsthaus Bregenz (KUB), davor war er Künstlerischer Leiter der Kunsthalle Mainz (2012-2015) und Projektleiter für bildende Kunst beim Siemens Arts Program in München (2007–2012). Er war Visiting Scholar am Massachusetts Institute of Technology, Cambridge, USA (2010–2011) und Hall Curatorial Fellow am Aldrich Museum of Contemporary Art, Ridgefield, USA (2006–2007). Zuvor wirkte Trummer als Kurator für moderne und zeitgenössische Kunst am Belvedere Wien und als Gastkurator am Grazer Kunstverein.

Thomas D. Trummer bringt für das erste Riemschneider Podium zwei Schlüsselfiguren der jüngeren Kunstgeschichte zusammen: VALIE EXPORT und Miriam Cahn. So unterschiedlich die Medien sind, in denen die Künstlerinnen arbeiten, so entscheidend ist ihr jeweiliger Beitrag zu einigen Grundfragen der neueren Kunst, insbesondere auch in feministischer Perspektive. Beide Künstlerinnen haben den weiblichen Körper immer wieder ins Zentrum ihrer Arbeit gestellt und ikonische Werke geschaffen, die in ihrer Direktheit brüskieren. Auch die Verletzlichkeit des Körpers, die seit einigen Jahren immer virulenter wird, wurde von den Künstlerinnen schon früh in ihren Werken thematisiert. Mit der Begegnung von Miriam Cahn und VALIE EXPORT bringt Thomas D. Trummer zwei künstlerische Positionen ins Gespräch, die zu den markantesten der vergangenen Jahrzehnte gehören.

Donnerstag 23. Januar 2025 / 18:00 Uhr

Vortragssaal
Kunstakademie Karlsruhe
Reinhold-Frank-Straße 81
76133 Karlsruhe

Livestream
kunstakademie-karlsruhe.de/livestream


Miriam Cahn (geboren 1949 in Basel) lebt und arbeitet in Stampa, Schweiz. Beeinflusst von der Performance-Kunst und der feministischen Bewegung der 1960er und 1970er Jahre, entwickelte Miriam Cahn in den 1980er Jahren ihr Werk mit großformatigen, schwarzen und reichhaltigen Zeichnungen von Kriegsschiffen, Fernsehern, Kampfjets und anderen scheinbar männerdominierten Motiven. Früher setzte sie oft ihren Körper ein, um ihre Zeichnungen durch leiblichen Einsatz zu verstärken. Sowohl die Performanz als auch die körperliche Präsenz spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklung ihres Werks. Die Zeichnungen entstehen in einem performativen Akt. Der Körper ist nicht nur Gegenstand der Betrachtung, sondern dient der Künstlerin auch als Medium. Hier formt die Künstlerin gesehene Bilder zu mentalen Bildern in einem der Darstellung angemessenen Medium um, das ihre eigene Sicht der Dinge transportiert und akzentuiert. Miriam Cahn erlangte internationale Bekanntheit durch drei aufeinanderfolgende und noch nie dagewesene Gelegenheiten: die Teilnahme an der Documenta 7 im Jahr 1982 (bei der sie ihr Werk aus Protest entfernte), eine Einzelausstellung in der Kunsthalle Basel, kuratiert von Direktor Jean-Christophe Ammann im Jahr 1983, und eine Einzelpräsentation auf der 41. Biennale von Venedig im Jahr 1984 als Vertreterin ihres Landes. Jahrzehnte später, im Alter von 50 Jahren, vollzog sie einen radikalen Schritt in ihrer Praxis, als sie beschloss, die monumentalen Zeichnungen, für die sie bekannt war, zugunsten einer ebenso intensiven Malerei aufzugeben. Dieser Wechsel war eine direkte Weiterentwicklung und der Höhepunkt von 30 Jahren Zeichnen. 1994 begann Cahn, Farbe zu verwenden, da sie von der formalen und emotionalen Kraft der Bilder der Massenmedien und ihrer archaischen Wurzeln fasziniert war. Mit exquisiter Sensibilität setzt Cahn Farbe ein, um ausgewählte Teile ihrer Figuren hervorzuheben - vor allem Brüste, Lippen oder Augen -, um Zerbrechlichkeit und Fruchtbarkeit zu suggerieren und ihren Figuren ein Gefühl von Innenleben zu verleihen. In den letzten Jahrzehnten wurde Cahns außergewöhnliche Bandbreite und Ikonografie durch das emotionale Potenzial der Malerei unterstützt, die sich auf den Körper, menschliche Konflikte, Heimat, Krieg, Natur und Landschaft, sowohl real als auch imaginär, konzentriert.
Zu ihren wichtigsten Einzelausstellungen gehören Ma pensée sérielle, Cahns erste große Retrospektive in einer französischen Institution im Palais de Tokyo (Paris, 2023); GEZEICHNET im ICA Mailand (2022); ME AS HAPPENING, zuerst in der Kunsthal Charlottenborg (2020) und in einer neuen Version im The Power Plant, Toronto (2021); Fremd das fremde im Palazzo Castelmur (Stampa, 2021); Sifang Art Museum, Nanjing (2020); die Ausstellung I AS HUMAN im Kunstmuseum Bern (2019), die u.a. ins Haus der Kunst, München (2019) und Museum of Modern Art, Warschau (2019) reiste; Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Madrid (2019); Kunsthaus Bregenz (2019). 2022 verlieh ihr das Museum für Gegenwartskunst Siegen den Rubenspreis der Stadt Siegen, begleitet von ihrer Einzelausstellung MEINEJUDEN. Ab Oktober 2024 findet ihre Einzelausstellung READING DUST im Stedelijk, Amsterdam statt. Sie erhielt im Oktober 2024 auch den Kaiserring der Stadt Goslar.
 
VALIE EXPORT (geboren 1940 in Linz) lebt und arbeitet als Medienkünstlerin, Performancekünstlerin und Filmemacherin in Wien. Ihre künstlerische Arbeit umfasst u.a. Videoenvironments, digitale Fotografie, Installationen, Body Performances, Spielfilme, Experimentalfilme, Dokumentarfilme, Expanded Cinema, konzeptuelle Fotografie, Körper-Material-Interaktionen, Persona Performances, Laser Installationen, Objekte, Skulpturen und Texte zur zeitgenössischen Kunstgeschichte. Seit 1975 organisiert VALIE EXPORT kuratorische Projekte, internationale Symposien, Ausstellungen und Filmprogramme. Sie gilt als eine der wichtigsten internationalen Pionierinnen konzeptueller Medien-, Performance- und Filmkunst. 1967 erfand die Künstlerin ihren Namen VALIE EXPORT als künstlerisches Konzept und Logo, mit der Vorgabe, ihn nur in Versalien zu schreiben.
1980 vertrat sie Österreich bei der Biennale Venedig. 1985 erfolgte die Nominierung von EXPORTs Spielfilm „Die Praxis der Liebe“, Buch und Regie, für den Goldenen Bären der Internationalen Filmfestspiele Berlin. Für ihre herausragenden Leistungen in der bildenden Kunst wurde die Künstlerin 2019 mit dem Roswitha Haftmann-Preis ausgezeichnet. VALIE EXPORT erhielt zudem 2022 den Max-Beckmann-Preis der Stadt Frankfurt. Sie nahm an der documenta 6, 1977, und der documenta 12, 2007, in Kassel teil. Es folgten Teilnahmen an der Biennale KOCHI 2018 und der Biennale MOSKAU 2019. Sie ist mit signifikanten Werkblöcken in bedeutenden Sammlungen großer Museen, Centre Pompidou (Paris), Tate Modern (London), Reina Sophia (Madrid), MOMA (New York) vertreten und hatte Einzelausstellungen in den bedeutendsten Kunstinstitutionen der Welt. Hinzu kamen Teilnahmen bei den namhaftesten internationalen Film- und Videofestivals.
 
Wie bei der Riemschneider Kurator*innenreihe werden am Folgetag Studio Visits mit den Gästen stattfinden, und das Gespräch vom Vorabend in konkreter Auseinandersetzung mit den Werken fortgeschrittener Studierender vertieft.
 
Einen regelmäßigen Austausch zwischen Studierenden, Künstler*innen und Kurator*innen anzuregen und noch stärker in der Lehre zu verankern, war die Idee des Projekts, das der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe dankenswerterweise seit 2012 durch die Riemschneider-Stiftung ermöglicht wird. Die Riemschneider-Stiftung, die von Ingrid Riemschneider, der 2010 verstorbenen Witwe des kunstinteressierten Karlsruher Radiologen Harm-Helmut Riemschneider, 2006 eingerichtet wurde, lässt ihre Erträge u.a. der Kunst und der Förderung Kunstschaffender auch im Bereich Bildender Kunst zukommen.

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